Das Leben aller Menschen, denen wir begegnen und die wir kennen,
ist in unser eigenes Schicksal verwoben.
– Thomas Merton –
Dieser neue Tod, der Weggang dieser Person beschäftigt mich. Treibt mich um. Er erschüttert mich in Mark und Bein. Ich kann es nicht glauben.
Ich leide mit. Mit ihr. Mit ihm. Mit uns.
Nicht nur, dass er in meiner Nähe stattfand (in 20 m Entfernung),
er hat etwas mit mir zu tun. Mit Dingen die ich erfahren habe, obwohl ich noch gar nicht geboren war.
Suizid, auch ein Familienthema von mir. Ich war noch nicht geboren, da nahm sich meine Oma das Leben. Die Mama meiner Mama. Meine Mama fand sie in der Küche.
Sie hatte sich das Leben mit Gas genommen.
Meine Mama war jung und war mit Ihrem Freund (meinem Papa) in einem Möbelhaus. Einrichten für die gemeinsame Wohnung. Die Hochzeit stand an.
Mein Onkel und seine baldige Ehefrau waren kurz davor, die frohe Botschaft ihrer Schwangerschaft zu verkünden.
Und da starb meine Oma.
Eine Frau, die ich nie kennenlernen durfte. Ich habe erst in den letzten Jahren ein paar Details, kleine Fetzen von ihr erfahren. Eigentlich erst nach dem Tod meiner Mama.
Zeitlebens meiner Mama habe ich versucht mit ihr über dieses schlimme Ereignis zu sprechen. Es sollte nicht klappen. Die Gefühle waren abgekapselt.
Doch wie es so ist, kommen die ungelebten Gefühle, Trauer und Wut an anderer Stelle zum Vorschein. Und somit wurde mir vor ein paar Jahren klar, dass ich all diese ungelebten Gefühle ausleben muss.
Eine Rolle, die ich mir nicht ausgesucht habe. Etwas was ich nicht wollte.
Die vielen Tränen die ich weinte, Einsamkeits- und Verzweiflungsgefühle waren immer auch die Tränen und Gefühle meiner Mutter und ihrer Mutter.
Wie lange habe ich erhofft, erbeten, gewünscht und manchmal auch gedrängt, dass sich meine Mama Hilfe sucht. Doch nichts, nichts tat sich. Denn Hilfe annhemen wäre ein Schwächeeingeständnis und dann würde ja etwas ins Rollen kommen. Die Alkoholkrankheit würde aufgedeckt werden. Nein, das wollte sie nicht.
Und so lebe ich heute mit den Traumen, die ich nicht wollte. Die nichts mit mir zu tun haben und doch zu mir gehören.
Suizid geht uns alle an.